Es klingt nicht besonders sexy: Meine berufliche Laufbahn begann an einem Schraubstock!
Der Wechsel von der Schule dorthin war drastisch. Mit noch nicht mal sechzehn Jahren sollte ich mich daran gewöhnen, jeden Morgen um 7:00 Uhr an meinem Ausbildungsplatz zu erscheinen – mit Blaumann und Sicherheitsschuhen. Eine Stunde früher durchstarten, mit der U-Bahn die halbe Stadt durchqueren, Kleidung wechseln – diese ganze Prozedur bedeutete, dass ich jeden Tag zwei Stunden früher aufstehen musste. Toll.
Mein Vater betrieb ein Familienunternehmen, in dem auch meine Mutter halbtags unterstützte. Nach den Sommerferien war für die Beiden die Zeit des Jahresurlaubes. Da meine Ausbildung am 1.September beginnen sollte, war also klar, dass ich zu dieser Zeit alleine sein würde. Ich fasse mal zusammen: Von der Schulbank zum Schraubstock wechseln, Wohnung hüten, Eltern 1.000 km entfernt. Handy zum Ausheulen? War noch nicht erfunden 🥺
Mein Vater baute noch ein bisschen Druck auf. Vor meinem ersten Arbeitstag saßen wir beide am Küchentisch und er schob mir einen Wohnungsschlüssel über den Tisch. Mein erster eigener Wohnungsschlüssel! Sein Begleittext bei der Übergabe: „Von nun an kannst Du selber entscheiden, wann Du kommst oder gehst. Aber merke Dir: Sollte ich jemals erfahren, dass Du nicht pünktlich auf der Arbeit bist oder Deine Leistungen schlecht sind, gibt es RICHTIG Ärger!“ Zwei Glaubenssätze hatte ich damit endgültig eingesammelt: „Ich muss STARK sein!“ und „Ich muss LEISTUNG bringen.“ Es dauerte lange, diese Glaubenssätze zu relativieren. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die ersten Wochen meiner Ausbildung waren hart. Viele neue Menschen in meinem Leben. Ungewohnte körperliche Anstrengung. Arbeiten mit Zeitdruck. All das forderte mich mächtig heraus. Es brauchte eine Weile, bis ich Lust hatte, meine frisch erworbene Schlüsselgewalt zu genießen.
Wenn ich heute zurückblicke, erkenne ich, dass mein Start in die Berufswelt ein starkes Fundament gebildet hat. Wie bei einem Hausbau, konnte ich Stein für Stein darauf setzen. Schon wenige Jahre nach meiner Ausbildung war der „Rohbau“ so solide, dass mich mein Job nicht mehr sonderlich forderte und ich neben der Berufstätigkeit die dreijährige Abendschulausbildung zum Industriemeister absolvierte. Es ging darin weniger um die Vermittlung von Wissen als vielmehr um die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Also um die Fragen: Halte ich das durch? Kann ich Frust, Respekt vor Prüfungen, Überanstrengung und Schlafmangel über eine lange Zeit aushalten? Kann ich mein Leben so organisieren, dass ich mich nicht verliere? Ich konnte.
In den folgenden Jahrzehnten legte ich noch diverse Ausbildungen nach. Jede einzelne hat sich gelohnt. Jede bescherte mir neue Perspektiven, erweiterte mein Netzwerk, erneuerte meine Sehnsucht nach Weiterentwicklung und ermöglichte diverse Quereinstiege, die ich mir nie hätte vorstellen können. Eine Universität habe ich ansonsten nur von innen gesehen, um dort einen Vortrag zu halten oder einen Professor zu besuchen.
Warum erzähle ich diese Geschichte heute?
Die Berufsausbildung ist eine großartige Absprungbasis, um sich ein spannendes Berufsleben aufzubauen und auszubauen. Zusammen mit den vielen Weiterbildungen hat sie mir einen bunten Strauß von Möglichkeiten geschaffen. Der etwas anstrengende Weg, auf dem ich Beruf und Lernen unter einen Hut bringen musste, machte mich resilient. In über 30 Jahren Führungsarbeit war zudem der Start am Schraubstock immer wieder hilfreich, denn der Blick aus dieser Perspektive half mir, mich zu erden und nicht abzuheben.
Also, Schraubstock doch sexy?? Auf jeden Fall! Müsste ich „zurück an den Start“, würde ich mich wieder so entscheiden.
Und wenn mich der Hafer sticht: An der Fernuni Hagen könnte ich jederzeit meinen Bachelor und Master machen und dann sogar promovieren. Am Ende dürfte ich so um die 70 Jahre alt sein. Damit wäre ich im Vergleich zu Ingeborg Syllm-Rapoport, die immerhin 102 Jahre alt war, als sie ihren Doktortitel erhielt, ein echter Youngstar. 😜 🤣
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